Autor:
Melanie BuhlVerlag:
Fabuloso VerlagErscheinungsjahr:
2019Sonstiges:
264 Seiten
978-3-945346-73-0
Preis: 11,90 Euro
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Oder direkt beim Autor.Mörderisches Geschrei riss mich aus dem Schlaf. Voller Panik sprang ich auf und rannte zu dem mit dichten Vorhängen zugezogenen Fenster. Mit aller Kraft zog ich den schweren Stoff beiseite. Was ich draußen sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Der Himmel glühte orangerot vom Feuerschein, der seinen Ursprung im übernächsten Tal, das die Grenze markierte, hatte. Riesige Flammen loderten gen Himmel und beißender Rauch zog über das Land herauf zu uns. Ich sah, wie die Wachen das schwere Burgtor öffneten. Rußverschmiert und mit verbrannten Gewändern stürmten unsere Krieger von draußen in den geräumigen Burghof. König Haldor mitten unter ihnen. Das Burgtor wurde hinter den Männern sorgsam wieder verschlossen. Vermutlich waren die Feinde unseren Kriegern dicht auf den Fersen.
Ich zog die Vorhänge wieder zu, warf mir einen langen Mantel über und rannte hinunter in den Burghof.
Dort sah ich König Haldor, der seine Rede mit deutlichen Gesten untermalte: „Ich stand direkt vor ihm! Unsere Waffen hieben bereits aufeinander und ich war sicher, heute würde ich ihn besiegen, als ein donnernder Schlag und ein greller Blitz uns auseinandertrieben! Thor hatte seinen mächtigen göttlichen Hammer zwischen uns geworfen. Er traf eine alte Eiche, die mit schaurigem Ächzen längs des Stammes auseinanderbrach und danach in Flammen aufging. Rusow und ich sprangen gleichzeitig zurück und als das Feuer auf die anderen Bäume übergriff, rannten wir beide um unser Leben.
Jeder zog sich zurück auf sein Gebiet und wir riefen auch unsere Krieger dorthin.“
Ich schauderte. Eine Schlacht so dicht an unserer Burg? Das hatte es, so lange ich mich erinnern konnte, nicht gegeben. Waren die Riesen mit ihrem König Rusow wirklich geflohen oder schlichen sie sich in diesem Moment, im Schein des Feuers, an die Burg heran? Angst ergriff mich. Was würde passieren, wenn die Riesen unser Heim eroberten? Würden sie uns alle umbringen? Die Frauen und Mädchen womöglich vergewaltigen? Da war der Tod sicher das bessere Los. Den grausamen Riesen war das alles ohne Weiteres zuzutrauen. Die alten Geschichten waren voll gruseliger Begebenheiten, die von den gewaltbereiten und tölpelhaften Riesen handelten. Niemand von uns wollte so etwas erleben.
Der Wind trieb die Flammen dichter und dichter an unser Zuhause heran. Der beißende Rauch nahm uns die Luft zum Atmen. Trotzdem standen wir, die Bewohner von Sachsenstein, wie erstarrt im Burghof und sahen entsetzt auf die sich näherfressenden Flammen, als es erneut einen Donnerschlag gab. Der Himmel öffnete sich und schleuderte sein Wasser nur so heraus! In Minutenschnelle war der Brand gelöscht, aber der Regen hörte nicht auf. Wir zogen uns unter die überdachten Bereiche des Hofes zurück, doch der Regen erreichte uns bald auch dort. Haldor schrie, wir sollten uns ins Innere der Burg zurückziehen. Wir gehorchten – wie es sich für gehorsame Untertanen gehörte.
Tagelang prasselte der Regen auf uns herab.
Waren die feindlichen Riesen noch in der Gegend, als die Sonne endlich wieder hervorkam? Das war die drängendste Frage, die uns umtrieb.
Ich bin Ruma
Vor undenklich langer Zeit, als Zwerge und Riesen unser Land bewohnten, als selbst Menschen noch die wahre Magie fühlen konnten, da nahm meine Geschichte ihren Anfang.
Mein Name ist Ruma, ich bin die Tochter des letzten Zwergenkönigs Haldor und seiner Königin Narima, die in Wirklichkeit ein Wassergeist war.
Heute bin ich ein Geist des Wassers oder wie meine Art in manchen Gegenden der Menschen genannt wird, eine Nixe, Nymphe oder Meerjungfrau.
Das mit der Jungfrau ist zwar so nicht ganz richtig, denn ich hatte einst einen Geliebten und sogar einen Sohn, aber ich lasse es so gelten. Die Menschen wissen es nicht besser und können es auch nicht verstehen, denn die uralten Kenntnisse von der Wandelbarkeit der Geschöpfe sind ihnen schon lange abhandengekommen.
Geboren wurde ich als menschenähnliches Mischwesen. Wie es dazu kam, dass ich heute nur als Wassergeist mein Dasein friste, möchte ich euch gern erzählen.
(…) Nur sehr aufmerksame Seelen können sie [die magischen Wesen] heute noch im Rauschen des Windes und im Rascheln der Blätter hören (…)
Dieser Satz aus dem Epilog des Romans „Ruma“ von Melanie Buhl fasst die Intention der Autorin zusammen: aus einer kleinen Sage des 19. Jahrhunderts einen Roman zu schreiben, in dem nicht nur die Aufmerksamkeit der Leser zu einen Ort gelenkt wird, sondern auch die Fantasie und die Liebe zu den eigenen Traditionen erweckt werden. Eigentlich keine leichte Aufgabe. Man muss die Figuren der Legende mit realen Landschaften und Orten verbinden, in die Geschichte einweben und gleichzeitig Spannung erschaffen, damit der Leser Lust bekommt, das Buch bis zum Ende zu lesen. Und das hat Melanie Buhl erreicht. Der Roman ist in mehrere Kapitel geteilt, die die Geschehnisse temporär trennen. Alles wird von der Hauptfigur, in der ersten Person erzählt, als ob sie ein Tagebuch schreiben würde. Im Vorwort wird der Kampf zwischen Zwergen und Riesen dargestellt. Erst im ersten Kapitel beginnt Ruma ihre Geschichte zu erzählen. Sie stellt sich vor und erklärt ihre familiäre Situation. Wie in jeder Sage spielt die Liebe, die man nicht so leicht erleben kann, eine große Rolle. Und natürlich, wie es immer so ist, ist es eine Liebe, die sich zwischen die Feindschaft zweier Volksgruppen stellt und diese zu besiegen versucht. Ebenso wie es in Romeo und Julia war. Nur, dass es in diesem Fall Fabelwesen sind. Und das macht das Buch so interessant, denn diese Fabelwesen, die versteckt vor den Menschen leben, sind genau wie die normalen menschlichen Wesen. Die Geschichte zwischen Ruma und Romar ist sozusagen eine realistische Geschichte von Menschen, insbesondere der romantischen Zeit, jedoch verwendet die Autorin keinen Kitsch oder eine übertriebene Beschreibung der Gefühle. Die Geschehnisse schmiegen sich mit der Beschreibung der Landschaft in perfekte Harmonie. Der Wortschatz der Autorin ist sehr reich und ihr Schreibstil ähnelt der, der klassischen Autoren: Passende und geeignete Adjektive schmücken die Sätze, ohne diese zu übersättigen. Auch wie die Geschehnisse beschrieben sind, zeigt ihre meisterhafte Hand, denn Melanie Buhl vermeidet exzessive Beschreibungen der Grausamkeit – was bedauerlicherweise heute sehr normal unter modernen Autoren ist – und beschränkt sich auf die Tatsachen, der Fantasie des Lesers mehr oder weniger überlassend. So verläuft die Lektüre in einem spannenden doch angenehmen und freundlichen Zustand. Sogar der Liebesakt zwischen Ruma und Romar wird sehr feinfühlig dargestellt. Für mich ist dieses Buch eine Entdeckung gewesen. Ich war neugierig, weil ich fantastische Sagen mag. Letztendlich habe ich die Magie der Autorin entdeckt. Sie hat mit einer sehr subtilen Art eine kleine Sage in einen wunderbaren Roman verwandelt, und damit den Ruf ihrer Heimat auf ein hohes Niveau gebracht.
Klappentext
Ruma – seit undenklich langer Zeit lebt die Tochter des Zwergenkönigs Haldor und der Nixe Narima auf dem Grund der Rhumequelle.
Aber wer kennt schon die ganze, traurige Wahrheit warum Ruma ihr Dasein in der mystischen Quelle fristet? Warum ist sie seit Generationen nicht mehr an Land gesehen worden?
Vor langer, langer Zeit konnte sich Ruma auch außerhalb des Wassers bewegen. Das Schicksal nahm seinen Lauf, als sie auf einen Erzfeind ihres Volkes traf.
Diese Begegnung verändert ihr Leben von Grund auf. Eine alte Prophezeiung sorgt zusätzlich für Verwirrung. Ruma gerät zwischen die Fronten eines jahrtausendealten Krieges.
Was ist damals wohl Schreckliches geschehen und welche Rolle spielte der Mahnehund des benachbarten Dorfes Rüdershausen in Rumas Geschichte?
Lausche dem Flüstern der Quelle und tauche ein in Rumas Geschichte …