Autor:
Creativo Initiativgruppe für Literatur, Wissenschaft und Kunst
Verlag:
Fabuloso Verlag Bilshausen
Erscheinungsjahr:
2016
Sonstiges:
240 Seiten
9,80 Euro
ISBN 9783945346488
Oder direkt beim Autor.
Leseprobe
Leseprobe
Seite 73 bis 75
Blutmond
von Melanie Buhl
Riesengroß schien der Mond am Nachthimmel über Karls Heimatort Rüdershausen zu stehen. Er tauchte den kleinen Ort vor ihm in ein mystisches Spiel aus Licht und Schatten. Karl schritt zügig über den neuen Radweg, der die beiden Orte Rhumspringe und Rüdershausen verband. In der Ferne leuchtete das Firmenschild des Malers Stahl und wies ihm den Weg. Viel zu lange hatte er mit seinen Freunden beim Kartenspiel gesessen.
Der Neue in der Runde, Franz, kam ihm sonderbar vor. Süffisant lächelnd hatte er über den ganzen Abend gewonnen und den Gewinn großspurig eingestrichen. Immer wieder fielen Bemerkungen, die Karl zusammenzucken ließen. Er habe den einen oder anderen Job zu vergeben, aber nur an mutige Männer, die keine Angst vor der Polizei hätten. Nein, natürlich nichts Illegales. Franz bot sogar an, dass die Freunde sich ihren Spielverlust locker mit einem kleinen Job ausgleichen könnten. Die anderen lachten arglos über diese dubiosen Angebote. Karl, den der Verlust der heutigen Pokerrunde arg schmerzte, hatte kurz darüber nachgedacht, ob er genauer nachfragen sollte, dann aber doch geschwiegen. Er wollte in seiner Situation nicht noch mehr Ärger.
Seit Jahren ging alles schief. Seine Frau Hilde war seit einem Autounfall ein Pflegefall. Teilnahmslos lag sie in ihrem weiß bezogenen Bett. Wenn Karl sie im Pflegeheim besuchte, starrte sie wie durch ihn hindurch. Manchmal hatte sie Tränen in den Augen und Karl wünschte, dass sie ihn erkennen möge. Die Ärzte nannten es Wachkoma und machten ihm keine Hoffnung auf Besserung.
Der Unfallverursacher hatte sich einfach aus dem Staub gemacht, ohne sich um die schwer verletzte Frau zu kümmern. Ein zufällig vorbeikommender Arzt leistete damals Erste Hilfe, sonst wäre Hilde noch an Ort und Stelle verblutet. Einziger Hinweis war, dass das Unfallfahrzeug von extrem grellgrüner Farbe gewesen sein musste. Laut Polizeiaussage war es keine Standardfarbe irgendeines Herstellers, sondern nachlackiert. Spuren davon konnten an Hildes Wagen sichergestellt werden.
Kinder hatten die beiden nicht und in seiner Trauer und Einsamkeit hatte Karl Trost im Alkohol gefunden. Seinen Job als Taxifahrer hatte er dadurch verloren und das Pflegeheim verschlang die letzten Ersparnisse.
Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser. Manchmal stahl er ein paar Lebensmittel – Mundraub, so entschuldigte er sich vor seinem aufkeimenden Gewissen. Die Bestohlenen sahen das leider nicht so locker. Einige Anzeigen gegen ihn liefen schon. Das sprichwörtliche Wasser stieg höher und höher. Es stand ihm bereits bis zum Hals.
Hatte er beim Pokern ganz ansehnliche Gewinne gemacht, konnte er davon eine ganze Woche leben. Heute aber hatte ihm dieser dubiose Franz das letzte Hemd ausgezogen und Karl schlich mit leeren Taschen nach Hause.
„Es muss was passieren. Irgendwie muss ich zu Geld kommen!“, murmelte er.
Im fahlen Mondlicht glitzerte der Tau auf den Wiesen vor Rüdershausen, die als Mahnte bekannt waren. Das lang gezogene Geheul eines Hundes ließ Karl erschrocken zusammenfahren. ,Man könnte meinen, der berüchtigte Mahnehund sei unterwegs um die Bewohner seines Dorfes vor Bösem zu schützen.’ Bei dem Gedanken musste er grinsen. Wen interessieren schon alte Sagen?
In den nächsten Wochen ging es mit Karl immer mehr bergab. Schließlich ließ er sich doch auf einen Handel mit Franz ein. Die Spielschulden, die er inzwischen bei ihm angehäuft hatte, ließen ihn zusehends schlechter schlafen. Franz hatte ihm großspurig einen Job besorgt.
„Nichts Schwieriges“, hatte er gesagt. Er solle nur zur Rhumebrücke an der kleinen Verbindungsstraße nach Lütgenhausen kommen, ein Päckchen von einem Kurier annehmen und dieses einige Zeit aufbewahren. Dann würde er einen neuen Ort und Termin genannt bekommen, an dem er das besagte Päckchen an einen weiteren Kurier übergeben sollte. Auf Karls neugierige Frage, was denn in dem Päckchen sei, antwortete Franz von oben herab: „Es ist besser, wenn du das nicht weißt!“
„Aber es ist doch nichts Illegales, oder?“, erkundigte sich Karl vorsichtig.
Franz lachte schallend: „Nein, natürlich nicht!“ Spöttisch blickte er hinter Karl her. „Wie kann man nur so naiv sein!“ ….
Klappentext
Mord und Totschlag – so was traut man den Bewohnern des malerischen Eichsfelds nicht so ohne Weiteres zu.
Und doch haben sie es getan! Sieben Autorinnen und Autoren aus dem Eichsfeld und vier Kollegen und Kolleginnen aus dem geheimnisvollen „Anderswo“ haben die Messer gewetzt, die Pistolen in Anschlag gebracht und Giftmischungen bereitet, um ihre Leser in die mörderischen Winkel der jeweiligen Regionen zu locken.
Die Autoren und Autorinnen morden, rauben und betrügen dabei überwiegend in ihrem Heimatorten. Dialekte und Mundarten dürfen dabei ebenso wenig fehlen, wie die berühmte Eichsfelder Mettwurst.
„Mordsgeschichten aus dem Eichsfeld und anderswo“ ist eine Sammlung von spannenden, skurrilen, humorvollen und düsteren Krimis aus Orten des Ober- und Untereichsfelds sowie aus Minden, Mönchengladbach, Einbeck Berlin und Dorfen in Oberbayern.