Leseprobe
Der kleine Forscher
Miriam und David kommen aus dem nahegelegenen Wald. Sie haben heute Kastanien gesammelt. Den schweren Korb stellen sie draußen im Garten auf den alten Steintisch.
Während David aus dem Keller einen Handbohrer holt, legt Miriam eine dicke Pappe als Unterlage auf die Tischplatte.
„So, jetzt kann es losgehen!“ Sie ist schon aufgeregt. Was kann man aus Kastanien wohl alles basteln, überlegt sie. „Weißt du schon, was du bauen willst, David?“, fragt Miriam ihren Bruder.
„Ich mache ein Auto, das richtig fahren kann“, antwortet der.
„Ob man auch Tiere basteln kann?“, erkundigt sich Miriam.
„Bestimmt, aber zuerst brauchen wir noch Zahnstocher oder Streichhölzer und etwas Knete, damit man die Kastanien besser miteinander verbinden kann“, überlegt David und saust schon ins Haus, um alles zu holen. Dann geht es eifrig an die Arbeit. Miriam bastelt gleich mehrere Tiere: ein Reh, einen Hund, einen Igel, …
Nur bei David will das Auto nicht so gelingen, wie er es sich vorgestellt hat. Enttäuscht legt er sein Werkzeug auf den Tisch.
Aber schon im nächsten Moment hat er eine andere Idee.
„Ich bastele lieber einen Forscher, der Neues über die Tiere erfahren will. Das ist bestimmt leichter! Außerdem können wir dann besser zusammenspielen.“ David ist selbst begeistert.
Und tatsächlich, als der kleine Kastanienmann fertig ist, lacht Miriam: „Du, der ist supertoll geworden! Ich weiß auch schon, wie dein Forscher heißen kann: Kastan-Joe!“
„Wieso Kastan-Joe?“, fragt David irritiert. „So einen Namen habe ich noch nie gehört.“
„Ich auch nicht, aber das ist ja das Tolle! Außerdem ist es doch ganz einfach! Kastan ist die Abkürzung von Kastanie. Schließlich ist das Männchen aus einer Kastanie gemacht. Und Joe klingt irgendwie nach Abenteuer, finde ich. Oder weißt du für einen Forscher einen besseren Namen?“ Miriam runzelt die Stirn und schaut ihren Bruder fragend an. David überlegt eine Weile.
„Nöööh“, sagt er zögernd. Dann macht er ein feierliches und ernstes Gesicht, hebt das kleine Männchen in die Höhe und sagt würdevoll: „Hiermit taufe ich dich auf den Namen: Kastan-Joe!“ Grinsend und kichernd beobachtet Miriam ihren Bruder, der das kleine Männchen zurück auf den Tisch legt und sich vor ihm verneigt.
Noch bevor die Geschwister jedoch mit dem Forscher-Spiel beginnen können, ruft die Mutter zum Abendessen.
Danach ist es draußen schon kühl und es beginnt zu dämmern. Widerwillig verschieben sie ihr Spiel auf den nächsten Morgen.
Doch während Miriam und David müde zu Bett gehen, geschieht im Garten etwas Ungeheuerliches!
Das Kastanienmännchen, das eben noch still zwischen den Tieren lag, bewegt sich plötzlich! Es zappelt mit seinen Beinchen, setzt sich auf und steht schließlich etwas wackelig auf der Tischplatte.
„Ich bin also Kastan-Joe, ein Forscher! – Aber warum?“, ruft es durch die stille Nacht. Niemand antwortet dem kleinen Mann. Die gebastelten Tiere regen sich nicht. Selbst der Wind schweigt. „Hört mich denn keiner? – Warum bin ich?“ Der kleine Kastanienmann hopst rufend auf dem Tisch herum. „Hallo, hallo! Ich bin Kastan-Joe! So haben mich die Kinder genannt. Aber ich will wissen waaa-rum? Warum bin ich Kastan-Joe? – Gibt es noch mehr Kastan-Joe`s?“ Der kleine Mann hat so viele Fragen. Aber die Dunkelheit liegt über dem Garten, alles schläft. So macht sich Kastan-Joe, der kleine Forscher auf den Weg. Ob er jemanden findet, der seine Fragen beantworten kann?