Leseprobe
Eine kleine Kostprobe aus dem 9. Kapitel:
Mittwochmorgen am Wiesenbeker Teich
Der Wetterbericht hatte für den Nachmittag Gewitter angekündigt. Deshalb hatten sich Mathilde
und Christian überlegt, gleich nach dem Frühstück eine Runde um den Teich zu drehen. Die Ärzte
hatten ihr Bewegung verordnet, und der nächste Termin in der Reha stand erst morgen wieder an.
Sie warteten draußen vor der Baude auf die Bedienung. Am Nachbartisch hatte sich ein Mann hinter
einer Zeitung verbarrikadiert, breitete sie wie eine Wand vor sich aus, so dass Schneider die
Hauptschlagzeile regelrecht ins Auge sprang. ‚Kurhotel am Wiesenbeker Teich in Bad Lauterberg
abgebrannt.‘ Neugierig versuchte er den Artikel darunter zu entziffern, was sich als schwierig
erwies. Doch als der Mann die Zeitung beiseite legte und den Platz grußlos verließ, schnappte er
sich das Blatt und begann zu lesen.
„Lies vor“, forderte Mathilde. „Was schreiben sie denn?“ Er las:
„Bad Lauterberg. Das ehrwürdige Kurhotel, ehemaliges Schmuckstück im Wiesenbek brannte in der
Nacht zum Dienstag vollständig aus. Laut Kriminalpolizei ist von Brandstiftung auszugehen. Die
Ermittlungen laufen auf Hochtouren, so die zuständige Hauptkommissarin Frau von Berg. Noch
tappe man im Dunkel, werde aber alles daransetzen den Brandstifter schnell dingfest zu machen.“
Schneider machte eine Pause, schaute auf.
„Nun kommt nur noch was aus der Geschichte des Hauses. Nichts von einem Toten, nichts vom
anstehenden Verkauf. Die halten hier ganz schön dicht. Wäre in Duderstadt anders.“ Er legte das
Blatt beiseite, weil die Bedienung das Frühstück brachte. Sie genossen es, aßen Spiegelei und Lachs
und stießen mit einem Glas Sekt an. Noch strahlte der Himmel in kräftigem Blau. Doch die warme
schwüle Luft kündigte schon einen Wetterwechsel an.
„Wirklich schön hier, Christian. So nah an zu Hause und doch weit weg von allem“, sinnierte
Mathilde und blickte verträumt über den Teich.
„Warum haben wir das erst jetzt entdeckt? Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir hier schon öfter
mal einen Kurzurlaub verbracht. Das kannst du mir glauben.“
„Das glaube ich dir aufs Wort. Jetzt weißt du wenigstens, wofür dein Hallux gut war“, scherzte er.
„Hat alles seinen Sinn. Aber du hast Recht. Hier ist es wirklich schön. Wenn man von der
Brandruine da drüben einmal absieht. Auch die Wanderung mit Otto zum Ravensberg hat mir Spaß
gemacht. Dorthin wandern wir beide, sobald du wieder besser laufen kannst. Einverstanden? Aber
vorher informiere ich mich, ob geöffnet ist. Das ist echt ärgerlich, wenn du oben ankommst und
nach einem kühlen Getränk lechzt, und es ist geschlossen.“
„Tja, hättest du auf mich gehört, hättest du dir ein ordentliches Frühstück und vor allem was zu
Trinken eingepackt. Aber das war dir ja zu umständlich. Ihr Männer denkt immer erst an so was,
wenn ́s zu spät ist, die Zunge am Gaumen klebt und der Magen knurrt“, bemerkte Mathilde spitz.
Christian rollte verstimmt die Augen.
„Beim nächsten Mal kannst du mir ja was einpacken.“ Er knuffte sie mit dem Ellenbogen.
„Lassen wir das ärgern und begnügen uns heute mit einem kleinen Spaziergang um den Teich, so
wie die Kuh?“ Mathilde stutzte.
„Die Kuh? Wieso ist hier ́ne Kuh um den Teich spaziert? Willst du mich auf den Arm nehmen?“
Christian begann herzhaft zu lachen. „Das hätte Fuzzi jetzt auch gefragt.“
Mathilde gab ihm den Knuff mit der Faust zurück.
„Verscherz es nicht! Mit mir springst du nicht so um wie mit deinen Mitarbeitern“, drohte sie.
„Ich liebe dich, mein Schatz. Kennst du nicht den Spruch, den wir als Kinder schon geplappert
haben? ‚DIEKUHLIEFUMDENTEICH’“ Mathildes Gesicht erhellte sich.
„Ach ja, ich erinnere mich. Das haben wir so schnell hintereinander geplappert und falsch betont,
dass man den Sinn nicht verstehen konnte. Ich kenne auch noch einen!“, rief sie begeistert.
„DIEKUHRANNTEBISSIEFIEL!“ Sie hakte sich bei ihm unter. „Komm, ich renne nicht, sondern
versuche langsam, wie Schmidtchen Schleicher, den Weg um den Teich zu schaffen, ohne
hinzufallen. Gehen wir links oder rechts rum?“
„Wenn ich ́s mir aussuchen darf, dann links rum.“ Mathilde schmunzelte und schüttelte den Kopf.
„War ja klar, Herr Kommissar. Aber wenn du beim Hotel alles inspiziert hast, bist du wieder ganz
bei mir. Okay? Du weißt, was ich meine.“ Christian nahm sie in die Arme.
„Ach Mathilde. Du kennst mich besser als ich mich selber. Ja, wenn wir am Hotel vorbei sind, bin
ich wieder ganz privat. Versprochen. Danke, dass du mich so nimmst, wie ich bin.“
„Was bleibt mir anders übrig, wenn ich mit dir alt werden will?“, entgegnete sie und humpelte los